Zum Ausscheiden der deutschen Fussballnationalmanschaft bei der EM 2004
Hier noch einmal Rudi Völler's Interview nach dem 0:0 gegen Island:
Gerhard Delling (6 Minuten nach dem 0:0): „Spätestens jetzt ist klar: Die Samstagabend-Fernseh-Unterhaltung steckt in einer tiefen Krise....Wenn man sagt, das war wieder mal ein absoluter neuer Tiefpunkt, trifft es das?“
Netzer: „Ja, es ist ein Tiefpunkt, und ich verstehe die Spieler auch nicht, zum Schluss jetzt auch noch Kehl. Warum sagen sie nicht einfach: ‘Das war ein schöner Mist, was wir da gespielt haben, da gibt es keine Entschuldigung für.‘ Stattdessen sucht er nach den Stärken von Island, was die alles besser können und gemacht haben. Das darf doch nicht das Kriterium sein, das ärgert mich ein wenig.“
Rudi Völler sitzt mit Waldemar Hartmann in einem anderen Studio, verfolgt dort am TV-Monitor alles mit. Dann die Explosion:
Völler: „Ich weiß, hier, äh, meine beiden Jungs von der ARD der Günter und auch Herr Delling – das ist natürlich eine schöne Sauerei, was der so sagt. Das muss ich einfach mal so sagen. Ich kritisiere die Mannschaft, aber ich muss natürlich auch die Mannschaft in Schutz nehmen. Was der Delling macht, ist nicht in Ordnung.“
Hartmann: „Was meinen Sie da jetzt genau?“
Völler: „Immer diese Geschichte mit dem Tiefpunkt und noch mal `nem Tiefpunkt, dann gibt’s noch mal `nen niedrigen Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Da stell ich mich vor die Mannschaft. Natürlich war das heute nicht in Ordnung, auch in der zweiten Halbzeit. Aber man sollte schon mal überdenken, wenn man solche Berichterstattung macht. Ich weiß nicht, woher die überhaupt das Recht nehmen, so was zu sagen. Verstehe ich nicht, muss ich ganz ehrlich sagen.“
Hartmann: „Also die Frage war von Gerhard Delling, dass es ein Tiefpunkt war...“
Völler: „...und die Geschichte mit der Unterhaltung, die man Samstagabend macht, dann soll er doch Samstagabend Unterhaltung machen. Und keinen Sport und keinen Fußball. Dann soll er Wetten, dass machen, soll den Gottschalk ablösen.“
Hartmann: „Das ist im andern Kanal, das ist beim ZDF.“
Völler: „Dann soll er da hingehen...“
Hartmann: „...Ich bin auch nicht der Rechtsbeistand von Gerhard Delling. Bin aber auch Journalist und erlaube mir auch zu sagen, dass es in den ersten 45 Minuten, die Sie jetzt noch gut bewertet haben, ganz sicherlich auch ein statisches Spiel war...“
Völler: „...das ist ja auch alles noch in Ordnung. Aber ich kann diesen Käse nicht mehr hören! Und bei jedem Spiel, wenn wir kein Tor geschossen haben, ist dann noch ein tieferer Tiefpunkt als wir eigentlich schon hatten. So einen Scheiß, den kann ich nicht mehr hören. Das ist für mich das allerletzte. Muss ich ehrlich sagen. Sie wechseln den Beruf, ist besser.“
Hartmann: „Suchen Sie sich im Moment nicht den Falschen...“
Völler: „Nein, ich suche mir genau den Richtigen aus. Ich sitze hier seit drei Jahren und muss diesen Schwachsinn immer anhören.“
Hartmann: „Ja, aber die Mannschaft ist doch daran schuld...“
Völler: „Die kriegen auch Ihr Fett weg, aber ich kann diesen Käse nicht mehr hören immer nach jedem Spiel, ich kann’s nicht mehr wiederholen, die Geschichte mit diesem Tiefpunkt, dann noch mal tiefer. Natürlich, wir haben heute, da hat der Sebastian Kehl Recht, gegen den Tabellenführer gespielt. Wir haben 0:0 gespielt. Das ist sicherlich nicht in Ordnung. Das ist ein Tick zu wenig für unsere Ansprüche. Wir sind Vize-Weltmeister, da muss ein bisschen mehr kommen. Aber dieser Scheiß, der da gelabert wird – da sollten sich wirklich alle mal Gedanken machen, ob wir in der Zukunft so weiter machen können. Immer diese Geschichte, alles in den Dreck ziehen, alles runterzuziehen. Das ist das Allerletzte. Und ich lasse mir das nicht mehr so lange gefallen, sage ich jetzt ganz ehrlich.“
Hartmann: „....Wir müssten doch eigentlich so eine Mannschaft klar beherrschen...“
Völler: „Wieso müssen wir denn die Mannschaft klar beherrschen? Die Isländer sind Tabellenführer – oder nicht?“
Hartmann: „Richtig.“
Völler: „Ja, also. Wir müssen den Gegner auswärts klar beherrschen, in welcher Welt lebt ihr denn alle?...Ihr müsst doch mal von eurem hohen Ross runterkommen. Was ihr euch immer alle einbildet, was für einen Fußball wir in Deutschland spielen müssen... Früher, der Günter, was die für’n Scheiß gespielt haben. Die haben doch Standfußball gespielt!“
Hartmann: „Ich schau mir auch das Spiel an und wir sind uns ja meistens in der Beurteilung dieser Spiele auch einig. Ich kann jetzt nicht verstehen, warum die Schärfe reinkommt...“
Völler: „Die Schärfe bringen Sie doch rein. Müssen wir uns denn alles gefallen lassen?“
Hartmann: „Ich habe doch keine Schärfe jetzt da reingebracht.“
Völler: „Ja, du nicht. Du sitzt hier locker bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken und bist schön locker.“
Hartmann: „Also in Island gibt es kein Weizenbier. Ich bin auch kein Weizenbier-Trinker. Ich weiß auch nicht, ob wir jetzt mit dem Stil weitermachen wollen...Am Mittwoch müssen die sich den Arsch aufreißen. Warum haben Sie es heute nicht gemacht?“
Völler: „...Aber es kann doch keiner von uns verlangen, dass wir hier herkommen und die Isländer 5:0 wegputzen.“
Hartmann: „Das hat ja auch keiner gesagt.“
Völler: „Aber so redet ihr doch alle. Dass wir hier her fahren müssen, unsere Ansprüche sind so, wir müssen immer locker herfahren und die ganz locker wegputzen.“
Hartmann: „Also ich muss nun auch mal sagen, jetzt auch schon ganz deutlich sagen, Rudi, das macht ja nicht die ARD und das macht nicht das ZDF und wir machen uns keine Gaudi draus, das machen wir nicht für unser Poesiealbum und finden uns danach besonders toll und schlagen uns auf die Schulter...“
Völler: „Nee, nee? Ist das sicher?“
Hartmann: „Ja. Also auf jeden Fall kann für mich sagen... also ich habe auch keine drei Weißbier getrunken....Wir können danach die Alkoholprobe bei der Dopingprobe machen. Mit 0,0 ....Nein, ich bin ja nicht beleidigt. Aber die Kollegen von den Zeitungen schreiben doch das auch, was sie glauben, was der Leser genauso merkt. Da sind doch nicht wir die einzigen. Es ist doch nicht so, dass wir im luftleeren Raum schweben und die Zeitungen eine deutsche Mannschaft seit einem Jahr nach der Weltmeisterschaft ständig bewundert haben. Es gab doch auch Kritik.“
Völler: „Darum geht’s doch gar nicht. Das ist doch richtig, dass wir in den letzten Monaten Spiele abgeliefert haben, die natürlich nicht in Ordnung waren. Nur wehre ich mich dagegen, dass man nach solchen Spielen alles total in den Dreck zieht... Die Situation hat sich für uns ja nicht so viel verändert. Wir haben heute nicht verloren. Wir hatten noch ein bisschen Glück, wir hätten noch verlieren können am Ende. Aber wir müssen die Schotten schlagen. Das bleibt letztendlich.“
Hartmann: „Okay. Also jetzt sind natürlich zwei....“
Völler: „Entschuldigung, die Geschichte mit dem Weizenbier habe ich nicht so gemeint. Alles andere habe ich so gemeint, wie ich’s gesagt habe.“
Hartmann: „Ja, okay. Und jetzt glaube ich auch, die zwei, die jetzt betroffen waren und die du jetzt angegriffen hast, haben das Recht zu kontern...“
Völler: „...in ihrer altbewährten Weise...“
Hartmann: „...Jetzt kommen Delling und Günter Netzer, oder?“
Völler: „Der Unterhaltungschef Delling kommt jetzt, ja.“
Die ARD schaltet ins andere Studio um.
Delling : „...Offenes Visier. Machen wir von hier oben aber auch. Und das mit dem hohen Ross, ich glaube, das haben wir nicht dabei. Und wir gucken dieses Spiel und bewerten das und müssen nach wie vor sagen, es war kein gutes Spiel...“
Netzer: „Das ist in der Tat so. Und ich zieh mir diesen Schuh ebenfalls an. Nicht nur, dass er mich angesprochen hat, was wir in der Vergangenheit für’n Scheiß gespielt haben. Das sage ich auch genug hier, dass wir einen schönen Mist gespielt haben früher. Nur: Die Anhäufung der schlechten Spiele dieser Mannschaft von Rudi Völler, das ist etwas, was zu bedenken gibt. Wir haben auf Zypern verloren. Aber dann kamen zehn gute und überragende Spiele! Das kann ich hier überhaupt nicht feststellen. Und wir haben nicht übermäßig kritisiert hier. Die können froh sein, dass sie bei uns beiden im letzten Jahr so weggekommen sind.“
Delling geht auf die Völler-Aussage ein, es werde zuviel von dieser Mannschaft erwartet...
Netzer: „Aber was ist das für eine Aussage. Wir erwarten zu viel von der deutschen Mannschaft, die hier in Island nicht nur nicht gewinnen kann, sondern eine Art Fußball spielt, den wir nicht tolerieren können. Das sollten wir nicht tun. Wir sollten diese Maßstäbe nicht anlegen, dass wir solche Schwierigkeiten haben, selbst mit dem Tabellenführer, weiß der Teufel wie der da hingekommen ist, Island Tabellenführer. Da gehören wir hin. Deutschland gehört in die Tabellenführung. So, und diese Ansprüche wollen wir uns von Rudi Völler nicht wegnehmen lassen. Die müssen wir nach wie vor besitzen im deutschen Fußball.“
Die ARD schaltet wieder zu Hartmann und Völler.
Hartmann: „Also, liebe Zuschauer, ich denke Sie waren von Anfang bei dieser auch verbalen Auseinandersetzung ohne Ball mit dabei und haben das mitbekommen... Hier in Reykjavik haben schon russische Staatsoberhäupter und amerikanische Präsidenten Friedensgespräche geführt. Ich will jetzt nicht den Friedensnobelpreis gewinnen...Ist diese Auseinandersetzung, die jetzt zustande gekommen ist, auch ein Zeichen dafür, dass du einfach auch richtig sauer warst? Auch sauer auf die Leistung dieser Mannschaft?"
Völler: „Ja, natürlich, vielleicht habe ich jetzt mit meinen Worten auch etwas überzogen. Der Günter hat ja ganz Recht, dass er das eine oder andere gesagt hat. Aber trotzdem bin ich der Meinung, gewisse Dinge, die gehören sich einfach nicht. Ich möchte das noch mal wiederholen, ich bin sonst nicht so wie der Erich Ribbeck oder der Berti Vogts, die dann immer jahrelang in ihrem Stuhl festgeklebt haben, egal was die Journalisten geschrieben oder was ihr im Fernsehen gesagt habt. "
Völler: Das ist mir das Ding nicht wert. Ich versuche so weit und bestmöglich hier mein Ding zu machen, dass wir erfolgreichen und schönen Fußball spielen. Immer gelingt uns das nicht. Und manchmal, wie heute, sieht’s natürlich auch ein bisschen schlechter aus. Nur, eins müssen wir uns merken, und auch was der Günter gesagt hat: Wir haben zwar früher mal ein schlechtes Spiel gemacht, danach aber zehn überragende. Diese zehn überragenden Spiele hätte ich gern mal gesehen. Da muss man auch lange zurückblättern, das muss noch vorm Zweiten Weltkrieg gewesen sein... Ich bin natürlich schon sauer auf meine Mannschaft. Aber dann muss ich den Herrn Delling hören...So extrem negativ zu sein, das kann ich nicht akzeptieren....Ich weiß, man kriegt jetzt wieder auf die Nuss. Aber das kann ich ab. Ich brauche nicht immer nur, dass alle „Rudi, Rudi“ schreien, du bist der Größte und der Schönste. Will ich gar nicht. Ich will nur, dass ordentlich berichtet wird!“
Hartmann: „Wenn die Mannschaft so viel Elan und so viel Feuer hätte wie ihr Teamchef, wäre er wahrscheinlich weiter. Und wir müssten nicht noch zwei Heimspiele zittern. Rudi, ich danke dir.“
Völler: „Danke.“
Me on 06.24.04 @ 07:37 PM MEZ [link]